Jugend forscht: Dieses Kribbeln im Bauch

Joshua Klösters (l.) und Till Möllmann zeigen im Schülerforschungszentrum des Berufskollegs Kleve vor dem Perio-densystem die molekularen Modelle von kurzkettigen Fettsäuren. Die Mikrobiome im Darm bilden den Kern ihrer Forschung, den sie bei „Jugend forscht“ vorstellen werden.

Das Hirn hat einiges zu verdauen. Und das Bauchgefühl spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Till Möllmann und Joshua Klösters belegen dies bei „Jugend forscht“. Liegt das Hirn lahm, liegt es vielleicht am Darm – so lautet der Titel ihrer Arbeit, die sie am 3. März beim 25. Regionalwettbewerb in Krefeld im Fach Chemie vorstellen werden. Entstanden ist die Studie in Kleve im Berufskolleg an der Felix-Roeloffs-Straße 7.

„Es gibt neuronale Verbindungen zwischen Hirn und Darm. Die Nervenzellen leiten die Informationen weiter – meist aufwärts vom Darm zum Hirn“, sagt Till Möllmann. Der 20-Jährige studiert im ersten Semester  „Medizinische Ernährungswissenschaften“ an der Universität zu Lübeck. Abitur gemacht hat er am Berufskolleg Kleve. Dort hat er Joshua Klösters (17) kennengelernt, der zurzeit am Berufskolleg in gleicher Weise sein Abitur im Beruflichen Gymnasium für Ernährung baut. Beide spürten schnell, dass ihre Leidenschaft nicht nur der Sport und die gesunde Ernährung ist, sondern auch die biochemische Forschung für die Medizin. Also versuchten sie, Phänomenen wie Völlegefühl, Bauchweh, Stress, aber auch Autismus, Alzheimer und Depressionen sowie schweren Erkrankungen  wie Parkinson oder MS auf den Grund zu gehen. Abgeholt wurden die beiden Jungforscher von ihren Lehrern Erwin Dribusch (Chemie) und Dr. Hacer Türkeri (Biologie), die sie im Schülerforschungszentrum des Berufskollegs Kleve betreuen. Im Team und mit großem Enthusiasmus ist daraus ein spannender Beitrag für „Jugend forscht“ entstanden.

Welche Auswirkungen haben kurzkettige Fettsäuren auf das Darm-Mikrobiom? Dieser Frage sind Till und Joshua im gut ausgestatteten Berufskolleg-Labor monatelang nachgegangen. Verblüffende Erkenntnisse, dass beispielsweise der Darm schon lange vor dem Hirn Impulse streut, dass der Mensch die Parkinson-Krankheit in sich trägt, spielen in ihre Forschung rein. „Der Begriff Darmhirn kommt ja nicht von ungefähr“, berichtet Joshua, der nach dem Abi Medizin in Greifswald oder Duisburg/Essen studieren möchte. Vom irischen Forscher John Cryan hat das Duo die Erkenntnis übernommen, dass der Vagus-Nerv so etwas wie der Hiobsbotschafter vom Darm zum Hirn ist, sprich Stimmungen wie Melancholie, Niedergeschlagenheit oder auch Panikattacken auslöst.

Also brachten Till und Joshua Licht in jenes Dunkel, in dem sich Milliarden Bakterien genüsslich tummeln und für weitaus mehr verantwortlich sind, als es bis zum Dosenöffner-Buch „Darm mit Charme“ von Giulia Enders in der öffentlichen Wahrnehmung bekannt war. In den Fokus ihrer Forschung setzten die Klever Salze kurzkettiger Fettsäuren (u.a. Propionate), die durch einen Gärungsprozess im Dickdarm durch spezielle Bakterien gebildet werden. „Wie beeinflusst es unser Wohlverhalten, wenn wir den Anteil von Propionsäure verändern?“ Die Antwort: Ein Eingriff in die Darmflora über das Ventil kurzkettige Fettsäuren kann die Stimmung beträchtlich beeinflussen. „Wir wollen die Propionate aber nicht als Heilsbringer deklarieren, sondern der Forschung lediglich Anhaltspunkte liefern, dass kurzkettige Fettsäuren beispielsweise gegen Depressionen helfen können“, sagt Joshua Klösters.

Über ihren Betreuer Erwin Dribusch, der über seinen Job am Berufskolleg hinaus in der Didaktik der Chemie an der Ruhr Universität Bochum über offenes Experimentieren forscht, sind die Klever im Elfenbeinturm der Forschung emsig nach oben geklettert. Zumindest denkbar wäre, über gezielte Stuhl-Transplantationen entzündliche Prozesse bei MS positiv zu beeinflussen. Fragen wie „was löst das Propionat mit anderen Bakterien im Darm aus?“ oder gar „Kommt Autismus aus dem Darm?“ sind seitdem legitim.

Joshua Klösters und Till Möllmann bleiben demütig und sagen: „Es gibt noch viele ungeklärte Fragen. Nicht alle können durch einfache Experimente im Schülerlabor beantwortet werden.“ Aber ein Bewusstsein für das sensible Epizentrum in der Mitte des Körpers haben sie zweifelsfrei geschaffen. Sie sind dankbar, bei „Jugend forscht“ am 3. März im Krefelder Seidenweberhaus ihre Recherchen einer breiten Öffentlichkeit vorstellen zu dürfen. Ihr Lieblingsplatz ist und bleibt das Schülerforschungslabor in Kleve, wo sie für ihre Hirn-Darm-Arbeit viele Stunden ihrer Freizeit verbracht haben. Dort sind Joshua und Till zu klugen Erkenntnissen gelangt, die schwarz auf weiß in ihrer Arbeit nachzulesen sind. Etwa: „Wenn man sich und seinem Darm etwas Gutes tun möchte, sollte man nicht als erstes Nahrungsergänzungsmittel in Betracht ziehen, sondern sich ausgewogen ernähren.“

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Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing.
Ralf Wim­mer
stellv. Hauptgeschäftsführer
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