#LTW22: Grundsätzlich positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt nicht verspielen

6 Fragen, 6 Antworten. Der Vorsitzende der Unternehmerschaft Niederrhein, Ralf Schwartz, über den Fachkräftemangel und seine Folgen.

Wie hat sich der Arbeitsmarkt in NRW in den letzten Jahren entwickelt – insbesondere auch während der Corona-Pandemie?
Die Zahl der Beschäftigten ist gestiegen, die der Arbeitslosen gesunken - dies stimmt durchaus positiv. Auch während der Corona-Pandemie hat sich der Arbeitsmarkt als stabil erwiesen. Was uns aber nach wie vor Sorgen macht, sind der steigende Fachkräftemangel und die hohe Zahl der Langzeitarbeitslosen. Hierauf muss sich die Politik noch stärker konzentrieren.

Gibt es denn tatsächlich Fachkräftemangel? Oder jammern die Betriebe hier auf hohem Niveau?
Fachkräftemangel ist tatsächlich ein großes Problem. Das sagen uns viele Unternehmen. Das zeigen aber auch die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die immer mehr offene Stellen ausweist - im Übrigen auch bei Ausbildungsplätzen - und längere Vakanzzeiten. Dieser Mangel bremst uns an vielen Stellen aus. Denn wo eine Fachkraft fehlt, kann eine Dienstleistung nicht erbracht und ein Produkt nicht hergestellt werden. Wer zurzeit einen Handwerker braucht, spürt das sehr deutlich.

Was kann das Land beim Thema Fachkräftemangel tun?
Wir erkennen, dass das Land das Thema ernst nimmt. Angesichts der großen Herausforderungen brauchen wir aber noch mehr Anstrengungen. Eine der ersten Aufgaben der neuen Landesregierung sollte eine Gesamtstrategie zu diesem Thema sein. Die Politik muss ihre Anstrengungen deutlich intensivieren und ressort-übergreifend bündeln. Wir brauchen kurz- und langfristige Maßnahmen, die auf die Gewinnung von Fachkräften im In- und Ausland ausgerichtet sein müssen. Dabei muss die Wirtschaft eng eingebunden werden.

Ralf Schwartz, Vorsitzender der Unternehmerschaft Niederrhein

Aber es gibt doch bereits verschiedene Ansätze?
Ja, und das ist auch gut so. Wir brauchen durch eine Bündelung und Koordinierung aber noch mehr Wumms. Denn wenn uns diese Aufgabe nicht gelingt, stehen wir auch bei anderen Themen schlecht da. Beispiel: Uns fehlen schon heute viele Fachkräfte in technischen Berufen. Genau die brauchen wir aber, um das Thema Klimaschutz voran zu bringen. Denn das Windrad muss auch jemand installieren.

Stichwort Senkung der Langzeitarbeitslosigkeit. Warum sind Sie gegen öffentlich geförderte Beschäftigung?
Öffentlich geförderte Beschäftigung sendet falsche Signale an die Menschen und ist keine nachhaltige Lösung. Wir sind davon überzeugt, dass durch Qualifizierung, Coaching und gute Betreuung die Integration in den ersten Arbeitsmarkt gelingen kann. Wichtig dabei ist, das Prinzip des „Förderns und Forderns“ zu erhalten.

Was erwarten Sie noch von der neuen Landesregierung?
Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in NRW darf nicht durch zusätzliche Belastungen für die Betriebe oder zusätzliche Regularien leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Alle Strategien und Maßnahmen müssen in enger Einbindung der Wirtschaft geplant und umgesetzt werden - und immer erst dann, wenn sie den Praxischeck bestanden haben.